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Ein Schulleiter berichtet

gute Texte
Ein Schulleiter hat zum Ende seines 40jährigen Berufslebens (10 Jahre HS, 3 Jahre GS, 27 Jahre SL GHS) seine Gedanken zur Schule heute - ohne den Anspruch auf Vollständigkeit-  aufgeschrieben und uns zukommen lassen. Seine Ausführungen sind von so grundlegender Art, dass wir sie Ihnen, liebe Leser - mit Erlaubnis des Autors - gerne zur Verfügung stellen.


Denkanstöße:
Kinder und Teenager 2016 – Elternhaus, Bildung, Umfeld

Paul Hug, Mai 2016

Noch nie wurden so viele Kinder zu Therapien geschickt wie heute, noch nie bekamen Kinder so viele Psychopharmaka verabreicht wie heute (Angststörungen, Depressionen, Leistungsdruck, Überbehütung, Hyperaktivität, ansteigende ADHS-Diagnosen, sogar Kindergärten, die für Ritalin werben, Computersucht, Dickleibigkeit, Komasaufen...); immer mehr Jugendliche zeigen sich nach der obligatorischen Schulzeit als nicht ausbildungsreif und finden keinen Beruf (jeder 2. Jugendliche sei arbeitsunfähig, laut Bundesbildungsbericht 2010). Auch von Abiturienten und Studierenden heißt es heute, dass sie die einfachsten Regeln des menschlichen Miteinanders nicht mehr beherrschten und ihre Rechtschreibung miserabel sei. Focus, 08.04.2009: „Deutsche Kinder: egoistisch, unhöflich, unerzogen“.

Mediziner und Kinderpsychiater Michael Winterhoff: „Die Jugendlichen, die in meine Praxis kommen, sehen aus wie Teenager, haben aber emotional und sozial den Reifegrad eines sechzehn Monate alten Kleinkindes. Die glauben, dass sie alles und  jeden steuern können und leben rein lustorientiert. Sie stellen sich auf niemanden ein, sondern erwarten, dass man sich auf sie einstellt.“ Bloßer Generationenkonflikt? Wer ist schuld an der Misere? Scheitern die Kinder an immer höheren Anforderungen von Gesellschaft und Schule? Oder werden sie einfach nur dümmer?

Bahnt sich eine Katastrophe an mit einer Generation, die nur noch nach dem Lustprinzip funktioniert und den Anforderungen des Lebens weder intellektuell noch sozial gewachsen ist? Wo stecken die Ursachen für den massiven Anstieg an sprachlichen und motorischen Handicaps? Bereits in den Kindergärten? In den Schulen - Unruhen und Lernschwierigkeiten, eklatanter Mangel an so genannten „soft skills“ wie Umgangsformen, Sinn für Pünktlichkeit, Frustrationstoleranz, Arbeitshaltung, Erkennen von Strukturen und Abläufen, Entwicklungsstörungen im Bereich der Psyche, Entwicklungsverzögerungen, nicht dem Alter entsprechend gereift? Werden wir eine Gesellschaft mit Menschen, die als Erwachsene leben wie Kinder, also nur lustbetont, den Eltern auf der Tasche liegend?

Wenn wir aber Menschen haben wollen, die Verantwortung für sich und andere übernehmen können, dann sollten wir dringendst gegensteuern!  



Schuld sind die Erwachsenen

Die emotionale und soziale Psyche ist Voraussetzung, dass aus dem Kind ein erwachsener Mensch als ein selbständig agierendes Wesen wird. Dies kann sich nur am Gegenüber bilden und zwar auf Grundlage einer Beziehung. Damit ein Kind reifen und wachsen kann, braucht es ein erwachsenes Gegenüber, das es spiegelt und ihm Vorbild ist. Exakt da liegt der Hase im Pfeffer!
Die Eltern: Sie nehmen ihre Erziehungsaufgabe durchaus ernst und verwenden genügend Zeit für ihren Nachwuchs. Doch ist Erziehung heute geprägt von einer großen Verunsicherung: Eltern wollen auf keinen Fall einen Fehler machen und die Kinder also besonders gut behandeln (vgl. Masse an Ratgeberliteratur). Das ist der Fauxpas: zum einen sollen sich Kinder frei entfalten können (Freiheit ist ja grenzenlos), Freiheit lässt sich aber nur innerhalb sinnvoller Grenzen am besten entfalten. Das mit dem Setzen von Grenzen ist halt so eine Sache. Das führt dann zu einer gewissen Hierarchie. Es muss aber im Verhältnis von Kindern und  Erwachsenen eine solche geben. Also entflieht man diesen Gegebenheiten und erzieht seine  Kinder partnerschaftlich. Das führt zu Problemen: Kinder sind völlig überfordert, wenn sie alles ausdiskutieren und ständig Entscheidungen fällen sollen – die Wahl wird regelrecht zur Qual. Die vermeintliche Bevormundung durch Erwachsene, die das Kind anscheinend in seiner freien Entwicklung behindert, hat in Wirklichkeit den umgekehrten Effekt.

Schließlich ist es nicht so, dass Kinder ihre Eltern automatisch lieben, wenn die nur alles für sie tun. Ganz im Gegenteil, solche Kinder haben keinen Respekt vor ihren Eltern, weil die ihnen keine Grenzen vorgeben und ihr Kind nicht „festhalten“. Es fühlt sich alleine und hat keine Struktur auf der Welt. Die Kinder solcher Eltern sehen ihre Eltern als Diener, und fühlen sich selbst als Chef. Das führt aber dazu, dass sie keine Grundsicherheit spüren, sie wissen nicht, wer sie beschützen könnte und auf wen sie sich verlassen können.

Sorgen die Erwachsenen für Strukturen und  Leitplanken, so sind sie Vorbild und der Fels in der Brandung und geben dem Kind die Möglichkeit, einfach zu sein im Hier und Jetzt! So entsteht Ruhe und Raum für Kreativität, für die Entwickung der Intelligenz und die Freiheit des Kindes. Michael Winterhoff: „Keine Last auf den Schultern, dafür Schutz und Anleitung durch Erwachsene: Das ist das eigentliche Privileg der Kindheit, das Kinderseelen gedeihen lässt, so dass Kinder zu emotional starken sowie sozial kompetenten Menschen heranwachsen können.“

Auch immer mehr Erwachsene sehnen sich nach Ruhe und Struktur. Denn für viele bietet das Leben keine klare Perspektive mehr, Stabilitätsfaktoren wie sicherer Arbeitsplatz, solide Altersvorsorge oder intakte Familie sind nicht mehr selbstverständlich, man befindet sich im Crash-Kurs ohne Bremse und Lenkrad; moralische Eckpfeiler - früher vorwiegend von den Kirchen vorgegeben - existieren kaum noch (man prägte sich die 10 Gebote ein, u.a. „du sollst nicht lügen“; lernte, leise sein zu können, als man eine Stunde in der proppevollen Kinder-Kirchenbank saß..., auch „alte Kulturtechniken“ wie etwa Singen oder Rechtschreiben geraten immer mehr ins Abseits). Hinzu kommt das Dauerbombardement mit Negativnachrichten aus aller Welt und die zunehmende Digitalisierung, welche die menschliche Kommunikation grundlegend verändert hat. Nebenwirkung dabei ist auch Verlust der Fähigkeit zur Empathie: die Interaktion von Mensch zu Mensch muss hart erlernt und nun neu erprobt werden. Kinder lernen den Umgang mit Menschen nicht mehr richtig (Studie Nancy Darking, USA), denn Menschen agieren nicht berechenbar, sondern überraschend, unkalkulierbar und hochgradig komplex. Regeln der Fairness sowie Emotionen sind z.B. Eigenschaften, die ein Kind später braucht, um sich in die Gesellschaft integrieren zu können und keine dieser Eigenschaften kann durch ein Computerspiel vermittelt werden.
Man weiß, dass sich Kinder mit höherem Tabletkonsum distanziert und gereizt verhalten und später auch Mühe haben, sich richtig auszudrücken. Wächst so eine Generation heran, die Gefühlen nur noch über Smartphone ausdrücken kann? Wer nicht möglichst früh den Umgang mit den multimedialen Gerätschaften erlerne, sei fürs Leben nicht gewappnet, heißt es. Es ist wohl eher umgekehrt! Jedenfalls ist aber mit einer Explosion der Kurzsichtigkeit zu rechnen.

So führen bei Erwachsenen die Katastrophenmeldungen, die fehlenden Sicherheiten und das fortwährende Erreichbar-sein-Müssen zu einem dauerhaften Stresszustand (Psyche im Katastrophenalarm). Immer mehr Erwachsene drehen sich deshalb im Hamsterrad, laufen auf Hochtouren und ruhen nicht mehr in sich selbst.
Und es kommt oft zu Beziehungsstörungen zwischen Erwachsenem und Kind, indem der Erwachsene seine psychischen Defizite über das Kind kompensiert - für Kinder recht verheerend! Entweder wird das Kind zum Partner, der eigenverantwortlich handeln soll oder der Erwachsene gibt sich selber auf die Ebene des schutzlosen Kindes. Dem Kind fehlt so auf jeden Fall ein erwachsenes Gegenüber, an dem es sich entwickeln könnte.

Also: Die Eltern müssen wieder zur Ruhe finden, über ihre Intuition verfügen, das Kind wieder als Kind sehen. „Intuition“ im Duden: Bauchgefühl, Empfinden, Gefühl, Gespür, innere Stimme (unsere Verbindung zum Göttlichen, Rettungsseil, Schutzengel - denn sind wir dauernd mit allen Sinnen nach außen gerichtet, verlieren wir den Kontakt zum Innersten mit der Folge des Zerbröselns wie ein Keks im Tee – keine Spur von Fels in der Brandung!). Eine zunehmend „sinnfreie Welt“ bietet keine ernstzunehmenden Perspektiven für das Leben.

Grundsätzlich: Das Gehirn lernt schon sehr früh. Das bedeutet in frühen Kinderjahren die seelische Robustheit stärken, protektive Faktoren, Veranlagung zu innerer Stärke und Schutz durch die Umwelt. Frühe zuverlässige Erfahrungen von Liebe, Zuneigung, Zutrauen, Intelligenz, stabile Beziehungen, gute Ausbildung, Lebensziele, friedfertiger Charakter, Selbstregulation, Regulationskontrolle. Frustrations-, Ambiguitätstoleranz, Beziehungsfähigkeit sind wieder vonnöten. Verschiedene Personen aus der Umwelt (Großeltern, Onkel, Geschwister...) können Rolle der sicheren Bindungsperson übernehmen, ohne die kein Kind gedeiht: Ein Mensch, der zuverlässig mit Zuneigung reagiert, Bedürfnisse erkennt und diesen gerecht wird, Grenzen setzt und Orientierungen bietet. Jeder braucht Verhaltensmuster, die einen befähigen, schwierige Situationen zu meistern.


Wenn nun die Eltern versagt haben, bleiben, um die Kinder wieder auf Vordermann zu bringen, bzw. um ihnen ein Nachreifen zu ermöglichen nur


Kindergarten und Schule.

Sind die Lehrpersonen dort in der Lage, den Kindern die nötige Anleitung, Konstanz, Führung und (den im Kindergarten wichtigen Schutz) zukommen zu lassen? Das ist leider nicht mehr der Fall. Sparmaßnahmen, treffen häufig das Bildungswesen, von Politikern werden die Kinder erneut als kleine Erwachsene angesehen, die Vorstellung der „freien Gesellschaft“ wird unreflektiert in Kindergarten und Schule übertragen. Man will die Selbstständigkeit der Kinder fördern, indem man sie nach offenen Konzepten arbeiten lässt (Wochen-, Monatshausaufgaben, Selbsttätigkeit,...). Da bekommen Kinder stapelweise Aufgaben auf Papier in die Hand, die sie nach ihrer Strukturierung erledigen sollen. So sind die meisten SchülerInnen mit dieser Aufgabenstellung in der Regel überfordert.

Die Kinder kommen bereits mit verzögerter Entwicklung in den Kindergarten, ausgelöst durch die Defizite im Elternhaus. Wie sollen Kindergärten nun für das Nachreifen der Psyche sorgen bei Zehntausenden Kindern aus vielerlei Kulturen in einer globalisierten Welt mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen, vielen einkotenden Kindern, ständigem Personalwechsel, Kostendruck, vielfach mit Praktikanten? Entwicklungsverzögerungen können nicht aufgefangen werden. Die Kinder wandern zur Schule weiter, wo wieder mit offenen Konzepten gearbeitet wird. Kein Wunder, dass Kinder nur noch laut, völlig egoistisch, frech, triebgesteuert („hab keine Lust, langweilig...“), desorientiert, unkonzentriert sind, nicht ruhig sitzen oder gar konzentriert zuhören können. Worte wie Respekt, Disziplin, Achtung, Ordnung... sagen ihnen nichts. (Hat auch die Erwachsenenwelt den gesunden Menschenverstand bereits verloren?)  

Die Kinder lernen so nicht Selbstständigkeit, sondern werden mehr oder weniger sich selbst überlassen. Bedeutet dies nicht auch Vernachlässigung der Kinder (auch wenn es vielleicht gut gemeint ist)? Wenn Kinder immer nur machen dürfen, was sie wollen, lernen sie weder Durchhaltevermögen noch Konzentration, sie lernen nicht, zurückzustecken und ihre eigenen Bedürfnisse zu verschieben, und sie lernen auch nicht, vorausschauend zu sein. Erste Folgen dieser freiheitlichen Erziehungsmethode zeigen sich, wenn das Kind in die Schule mit ihren knallharten Leistungs- und Konkurrenzgedanken kommt. Da kann es dann mit seinem Wortbeitrag nicht abwarten, wenn ein anderes Kind spricht, oder es guckt die ganze Zeit zum Fenster raus, und es macht zum ersten Mal die Erfahrung, dass nicht jeder seiner Striche bewundert wird. Es erlebt also zum ersten Mal Frustration und wird entsprechend auffällig. Frankfurter Allgemeine (08.07.2010): „Fordert eigenverantwortliches Lernen die Selbstständigkeit oder ist alles ein cleverer Trick der Bildungsindustrie? Bei genauem Hinsehen lösen solche Lernwerkstätten die behauptete Selbstständigkeit nur scheinbar ein: Alles ist bereits vorgedacht, herausfordernde Problemstellungen und ungeplante Lösungswege sind dabei nicht vorgesehen.“ Freiarbeitskonzepte sind ohnehin umso heikler, je jünger die Kinder sind. Freilich: Hatte früher eine Klasse von 25 Kindern 4 – 5 auffällige Kinder, ist es heute gerade umgekehrt und über 20 Kinder zeigen kombinierte Störungsbilder.

Also Schüler quasi als Lehrer? Der Lehrer wird zum Coach oder Lernbegleiter, der im Zweifelsfall angesprochen werden muss. Die Lehrer-Schüler-Beziehung gerät dabei zugunsten der Schüler-Schüler-Beziehung in den Hintergrund. Und damit geschieht genau das, was bereits im Elternhaus vielfach das Problem ist, nämlich, dass auch hier eine erwachsene Bezugsperson für die Kinder fehlt, an der sie sich spiegeln und psychisch wachsen können. Schließlich ist es lernpsychologische Binsenweisheit, dass die psychische Entwicklung von sozialer Kompetenz nicht am gleichaltrigen Gegenüber funktionieren kann.


Auch beim Ansatz Lerntheke oder Gruppentische tritt der Lehrer als führende Person immer weniger in Erscheinung.
Das sich entwickelnde Kind braucht ein klares Gegenüber als Bezugsperson, das ihm Konstanz, Halt und Sicherheit gibt. Einige finden sowieso, Computer seien die besseren Lehrer, die Frage nach einer Beziehungskomponente stellt sich da gar nicht. Wenn man das konsequent weiterdenkt, sind wir damit auf dem besten Weg, lauter Narzissten, Egoisten und Einzelgänger zu schaffen.

Ein Lehrer (Frankfurter Allgemeine, 11.02.2016), anonym aus Angst als Nestbeschmutzer ausgegrenzt und disziplinarrechtlich zum Schweigen gebracht zu werden: „Eigentlich sind wir Dompteure in einem Zirkus der Disziplinlosigkeit, ich soll sein Psychologe, Therapeut, Logopäde, Gymnasial- und Förderschullehrer. Diese Herkulesaufgabe ist nicht zu bewältigen“. So stellt sich auch die Frage in Baden-Württemberg nach den aktuellen Schulsystemen: z.B. nicht die Grundschulempfehlung, allein die Eltern entscheiden über die weiterführende Schule für ihr Kind; die Hauptschule wurde ausgeblutet, zugunsten einer so genannten Gemeinschaftsschule, vor allem entwickelt im zunächst ländlichen Raum, um die weiterführende Schule im Ort retten zu können, mit einem breiten Schülerklientel vom Förderschüler bis zum Gymnasiasten - und es verschoben sich bezeichnender Weise die Schülerströme von der ehemaligen Hauptschule gar zum Gymnasium, das aufgrund der Schülerzahlen nun zur eigentlichen Haupt-Schule geworden ist mit kaum absehbaren Folgen.

„Deutschland ist auf dem Weg in die Inkompetenz“ sagt Bildungsexperte Hans-Peter Klein (WirtschaftsWoche 01.03.2016) und stellt die Vermittlung von Kompetenzen in den Lehrplänen in Frage, womit das Lernen verflacht werde und warnt vor der Einführung einer Einheitsschule, die überall gescheitert sei. „Gott sei Dank sind viele der älteren Lehrer bisher reformresistent und haben als Beamte und Fachleute sich den vielfach unsinnigen Vorgaben weitgehend widersetzt. Man kann ihnen nicht genug danken, dass sie ihren Schülern einen an Fachwissen orientierten Unterricht anbieten... Sie haben bisher das Kompetenz-Kartenhaus weitgehend vor dem totalen Kollaps gerettet“.  

So starb etwa der Frontalunterricht immer weiter aus. Das erste Schuljahr wird zum Großteil damit verbracht, den Kindern die Grundlagen eines sozialen Miteinanders beizubringen, unheimlich anstrengend für die LehrerInnen, für eigentlichen Schulstoff bleibt da wenig Zeit. Michael Winterhoff: „Die Vorstellung, dass am ersten Schultag mindestens 90% wirklich schulreife Kinder in der Klasse sitzen, mit denen sinnvoller Unterricht gemacht werden kann, ist heute geradezu absurd.“ Weil es den Kindern an elementaren Voraussetzungen fehlt, sieht Schule beispielsweise so aus: Die Schüler stehen im Unterricht auf, rennen durch die Klasse, reden / schreien wann es ihnen passt, liegen mit dem Kopf auf dem Tische, verstecken sich,... Warum da vorne jemand steht und auf sie einredet, können sie nicht erfassen. Kein Wunder, dass sich viele LehrerInnen am Rande zum Burnout bewegen und dieser Beruf immer mehr an Attraktivität verliert. Die meisten dieser „offenen Konzepte“ wurden übrigens nie wissenschaftlich dahingehend überprüft, ob sie überhaupt funktionieren (aber es lässt sich wacker Kohle verdienen). Sie gelangten schnell und ungeprüft ins Schulzimmer, wo man ihre Tauglichkeit nun am lebenden Objekt testet.

Das Verhalten, das Eltern, Großeltern, Lehrer und Erzieherinnen heute an den Tag legen, beeinflusst das Verhalten, das Kinder und Jugendliche in zehn, zwanzig, dreißig Jahren an den Tag legen. Die Kinder werden übrigens auch die Lehrer von morgen sein. Und wie sollen sie ihre Aufgabe erfüllen können und Vorbild sein, wenn sie selber sozial und emotional auf dem Stand eine Kleinkindes geblieben sind und rein zweck- und lustgesteuert agieren? Und: Wohin wandert dann die gesamte Gesellschaft? Meist kommt ja auch irgendwann der „Zahltag“. Die wenigsten Eltern werden ihr Kind sein Leben lang unterstützen. Irgendwann werden sie ihm sagen: „Jetzt musst du eigenes Geld verdienen.“ Und dann fühlt sich der junge Mensch betrogen, verraten und im Stich gelassen. Denn die Eltern haben ihn sein Leben lang wie einen Prinzen oder eine Prinzessin behandelt. Das kann zu großen Aggressionen bei dem jungen Menschen führen.
Es wird diesen Menschen erstmals schlechter gehen als ihren Eltern. Sie haben keine Bereitschaft, sich anzustrengen, und keinen Leistungswillen. Sie wollen nicht erst lange dienen, bevor sie Chef werden. Und noch etwas: Diese Menschen werden die ältere Generation nicht mehr pflegen. Sie haben eine Grundausrichtung, die ihnen sagt: Nur ich bin wichtig, und mich für andere zu engagieren oder gar aufzuopfern kollidiert massiv mit meinen Bedürfnissen. Sie schauen durch ihre Ich-Brille, sie beurteilen ihre Umgebung nur danach, was sie ihnen für Vorteile bietet. Das ist der reine Narzissmus. Aber eine Gesellschaft, in der die Generationen nicht zusammenhalten, wird zerfallen. Wenn das Experiment Mensch gelingen soll, brauchen wir stabile und liebesfähige Persönlichkeiten, und zu solchen wachsen derzeit die wenigsten Kinder heran.
So ist wohl weniger die Bildungspolitik in den Vordergrund zu stellen, als eher inkompetente Eltern, die ihre Erziehungsaufgabe lieber Kindergärten und Schulen übergeben würden. Sind in den Schulen nun die Kinder unerzogener Kinder, die selbst keine konsequente Erziehung erfahren haben und so auch keine mehr weitergeben können?  

Und zum Fernsehen: Obwohl Experten ausdrücklich vor dem Fernsehen warnen, sitzen immer mehr Kleinkinder und sogar Babys tagtäglich vor dem Bildschirm. Forschungsinstitut Childrens Hospital in Seattle: 90% der zweijährigen Kinder in den USA sehen regelmäßig fern. Bei Kindern, die am häufigsten ferngesehen hatten, waren erheblich mehr Konzentrationsstörungen zu beobachten als bei Gleichaltrigen, die weniger oder gar nicht ferngesehen hatten. Mit jeder Stunde Fernsehen pro Tag stieg das Risiko einer Konzentrationsstörung um 10%. Dr. Manfred Spitzer: „Gerade das frühe Fernsehen wirkt sich ungünstig auf die intellektuelle Entwicklung aus“. Kinder unter drei Jahren (andere Experten: bis fünf Jahren) sollten gar nicht fernsehen! Die Kanäle Gehirn / Bildschirm passen nicht zusammen, die Bild- und Klangsoße, die Kindern da zugemutet wird, haben wenig miteinander zu tun. Kinder können sie nicht berühren, nicht riechen, nicht schmecken. Kinder müssen ihre Welt mit allen Sinnen erforschen und brauchen ganzheitliche Erfahrungen (am besten möglichst oft in der freien Natur). Auch Bilder einer harmlosen Kindersendung können Ängste auslösen. Und: Das Kinderzimmer sollte auf jeden Fall fernsehfreie Zone sein. Bei über 60% der Grundschulkinder ist der erste Weg nach dem Aufstehen am Morgen der zum Einschalten des Fernsehers, ein Großteil hat dann keine Zeit fürs Frühstück (Befragung an eigener Schule, 2008).
Kinder, die bis zu zwei Stunden regelmäßig täglich fernsehen, weisen überdies ein erhöhtes Risiko für Übergewicht auf, rauchen später mit höherer Wahrscheinlichkeit und bergen weitere Risikofaktoren für langwierige Gesundheitsprobleme im späteren Leben (neuseeländische Studie). Die Nahrungsmittelindustrie hat bezeichnender Weise keine Probleme damit, Kinder zum Konsum von Fast Food, Limonaden und kalorienreichen minderwertigen Zwischenmahlzeiten zu motivieren...

Und zur Handynutzung: Dr. Davis, Umwelt- und Gesundheitsvereinigung der USA, sagt: „Handys verursachen Hirntumore“ und „Halten Sie das Handy von Ihrem Bauch fern, besonders gegen Ende der Schwangerschaft“. Ein ständiger Handygebrauch erhöhe das Tumor-Risiko um 40%; bei Personen, die das Handy vor dem 20. Lebensjahr benutzen gar um 400%. Kinder sind  deshalb für gesundheitliche Folgen besonders anfällig. Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen werden geschädigt, wenn Papas und Mamas im Schnitt 60 bis 100 Mal am Tag das Handy checken und dabei auch die Kinder ignorieren. So verbringen Eltern ebenso viel Zeit mit ihren Handys wie mit den Kindern, die sich dann unwichtig fühlen und kognitive, soziale und emotionale Probleme bekommen können (Natural News 2016, Kopp-Verlag).

By the way: Produkte des täglichen Lebens wie Eincremen, Parfümieren, Schminken beginnen schon im Mutterleib ihre Wirkung zu zeigen, da alles, was die Mutter aufnimmt, potenziell auf die Kinder übertragen werden kann. So fanden Forscher in einer Studie der amerikanischen Environmental Working Group 2005 in der Nabelschnur Neugeborener durchschnittlich 200 verschiedene Chemikalien und Giftstoffe. Für das Kind kann das drastische Auswirkungen haben. Kinder sind  aufgrund ihres schnellen Wachstums und der höheren Sensibilität ihrer Organe ohnehin anfälliger für die Wirkung von chemischen Stoffen. Es gibt mittlerweile genügend Untersuchungen, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen industriellen Chemikalien und einer Vielzahl von körperlichen Beeinträchtigungen nachweisen, so für verzögertes fötales Wachstum, geringere Intelligenz, Verhaltensstörungen, abnormale körperliche Reifung, Stoffwechselstörungen sowie später im Leben Unfruchtbarkeit oder Krebs.


Folgen - Was bleibt zu tun, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten?

Es muss sich Protest regen gegen die komplett falsche Richtung im Bildungssystem.
In alle Abläufe in Familie, Kindergarten und Schule ist Ruhe zu bringen als einer der wesentlichen Bestandteile der Grundhaltung zur Nachreifung.

Eltern müssen sich aus dem Hamsterrad befreien, sich Zeit für ihre Kinder nehmen und für Ruhe, Routine und Regeln sorgen. Und das rasch, bitte! Viele Fachleute und Pädagogen haben die Eltern als erzieherische Instanz bereits aufgegeben, sie trauen es ihnen nicht mehr zu, ihre Kinder überhaupt so weit zu bringen, dass ihre Kinder sich altersgemäß entwickeln und so einen guten Start im Kindergarten haben.

Deshalb will man die Kinder immer früher in Horten auffangen – aber lieben Erzieherinnen eigentlich die Kinder auch oder verwalten sie diese nur (welche Basis fehlt solchen Kindern, die nicht eine grundlegende Liebe erfahren durften)? Gewisse Kreise verlangen sogar die Einführung eines Elternführerscheins. (Beschränkt sich die Rolle der Eltern dann in Zukunft nur noch auf Zeugung, Beherbergung, Entertainment?)

In Kindergärten und Schulen wäre wieder vermehrt lehrer- statt lernzentrierter Unterricht angesagt. Auch gut ausgebildetes Personal, kleinere Gruppen, konstante Bezugspersonen und Beziehungsarbeit sind Forderungen, die ja gar nicht so neu sind. Bedingung für Entwicklungsabläufe sind Ruhe und Beziehung. Es geht nicht darum zum Bildungssystem des 19. Jahrhunderts zurückzukehren, aber Eltern und Lehrer müssen wieder ihrer Führungs- und Vorbildfunktion bewusst werden und diese wahrnehmen.
Erwachsene denken: Kinder brauchen mehr Freiraum zur Entfaltung. Kinder aber sehnen sich nach Berechenbarkeit und Halt. Sie wollen Erwachsene, die Grenzen setzen, Vorbilder sind, Sicherheit vermitteln. Sie haben genug von Erwachsenen, die sich weigern, erwachsen zu werden. (Studie Rheingoldinstitut im Auftrag des „Stern“). Es ist die derzeitige labile Ordnung der heutigen Welt, die derzeitige Beliebtheit und Beweglichkeit des Lebens, die den Kindern zu schaffen macht, die Welt ohne klare Ansagen, Leitplanken, Kompass. Die Kinder vermissen Routinen, Rituale, die klare Verteilung von Aufgaben, ein gemeinsames Frühstück und klare Worte – sie erleben Patchwork, Hektik und Hin und Her.

Auch die (so bedauerliche) Erkenntnis, dass der eigene Nachwuchs nicht klug ist und andere viel schneller begreifen, sollte keine Panik auslösen (ist übrigens keine Krebsdiagnose!). Mangelnde Intelligenz wird gleich mit mangelnder Teilhabe an der Gesellschaft, geringem Erfolg, fehlender Lebenszufriedenheit gleichgesetzt. Ein Kind kann eben auch minderbegabt ein, auch wenn Eltern dies für unvorstellbar halten und dann am Durchdrehen sind. Wenn Kinder die Eltern dann beschämt erleben, ist dies für sie entsetzlich, und sie fühlen sich für die Enttäuschung verantwortlich. Besser ist, sich zu fragen: wo steht mein Kind, zu welchen Leistungen ist es fähig, welche Unterstützung braucht es dafür? Man sollte sich statt um Erziehung eher um die Beziehung zum Kind kümmern und ihm vorleben, was man erwartet. Heranwachsende benötigen fürsorgliche und vorhersehbare Regeln.
Die meisten Kinder sind großartige Menschen. Trotzdem werden sie immer mit ständig größeren Ansprüchen überzogen: In der Schule, beim Sport, in Musik..., überall sollen sie noch besser werden. Für ihr Leben sei stete Leistungssteigerung erforderlich. So bekommen sie das Gefühl, nie zu genügen, was enormen Stress verursacht. Das ist eine Folge des erstaunlichen Optimierungswahns, der unsere Gesellschaft bestimmt. Zunächst ist es ein völlig natürlicher und positiver Fürsorgeimpuls, der aber seine Grenzen findet bei zwanghaften, verunsicherten  Eltern, wenn man immer größere Erfolge beim eigenen Kind im Vergleich zu anderen sehen will (wie ein Trainer am Spielfeldrand, Helikoptereltern). Das Vertrauen, der Mangel an Zuversicht, dass ihr Kind schon durchs Leben kommen wird, bringt maximalen Einsatz, Unterstützung durch einen Wust an Erziehungsratgebern, Förderangeboten – was aber weitere Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. So herrscht das Gefühl dauerhafter Anstrengung vor. Die Korrekturen der Lehrer werden angezweifelt, man rennt mit Kopien ins Rektorat, um einen weiteren halben Punkt zu ergattern, 65% der Kinder erledigen ihre Hausaufgaben nur mit elterlicher ilfe (wobei laut Umfrage 50 % der Kinder die Hausaufgaben für zu umfangreich halten). Freilich kann man Kinder nicht vor der Wirklichkeit bewahren. Es geht aber darum, frühzeitig die richtige Balance zu finden.

Eltern sollen ihr Kind und dessen Entwicklungschancen realistisch einschätzen können. So verhalten sie sich ihm gegenüber sicherer und  selbstverständlicher, wenn Eltern sich statt um Erziehung um Beziehung zu ihrem Kind kümmern. Was sind die Inseln der Gemeinsamkeit? Welche Unternehmungen oder Interessen bereiten allen gleichermaßen Halt?

Besonders leiden Kinder aber darunter, dass das Miteinander in der Familie bloß noch ein Nebeneinander geworden ist: Die Eltern laufen auf Hochtouren, die Kinder nebenher. Denn auch wenn Eltern physisch anwesend sind, sind sie mit dem Kopf oft ganz woanders. Dafür haben Kinder feine Antennen und denken, sie seien die Ursache für die Sorgen ihrer Väter und  Mütter. Eltern sollen eine liebevoll-kritische Distanz zu ihren Kindern wahren, bloß nicht versuchen, deren Freunde zu werden. Sie sollten ein Wertegerüst vermitteln und ihnen Vorbild und Kompass sein. Dazu müssen aber die Erwachsenen wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen.
Vor allem sollten Kinder nicht zu reinen Egoisten gemacht werden (eine Gesellschaft funktioniert nicht mit „Ichlingen“, sondern nur im Miteinander). Immer mehr junge Leute scheinen auf striktem Verweigerungskurs zu sein oder warten kaltherzig nur auf ihr Erbe. Heute gibt es mit neun oder zehn Jahren viel mehr auffällige Kinder als früher. Können diese zu funktionierenden Mitgliedern der Gesellschaft werden?
Das scheinbare Schlaraffenland der multiplen Optionen und grenzenlosen Freiheit ist für Kinder bedrohlich. Alles ist jederzeit möglich, das Schönste, aber auch das Schlimmste. So ist es nicht erstaunlich, dass viele Kinder sich intensiv mit Computerspielen beschäftigen und nicht ohne Social Media sein wollen. Hier herrsche eine begrenzte Welt mit klaren Regeln, eine Welt von Gut und  Böse  – für Kinder eine Art virtuelles Sicherheitsnetz. Über Smartphone können sich Kinder und Jugendliche jederzeit vergewissern, dass die anderen noch da sind und alles in Ordnung ist. Da in der realen Welt die Treffpunkte für Jugendliche rar geworden sind, wo ihresgleichen in geschütztem Rahmen zusammen sein können, behelfen sich die Heranwachsenden mit virtuellen Räumen. Teenager die ewigen Babys!?

Also erst recht: Altruistisch denken (uneigennützig, selbstlos, Rücksicht auf andere), das Wohlergehen der Familie in den Vordergrund stellen, Zufriedenheit als Ziel, Bodenständigkeit, sich um Kinder kümmern und sorgen (Wörter übrigens von „Kummer“ und „Sorge“ abstammend), die Kinder annehmen, wie sie eben sind (nicht jeder muss Generaldirektorpräsident werden), spätere Berufszufriedenheit im Auge haben... Aber es sind auch Grenzen zu ziehen und Regeln einzuhalten, d.h. sich in das eigene Kind einzufühlen, die Eigenheiten des andern akzeptieren und aus Zuneigung, Einsicht und Liebe aufeinander zugehen.

Winterhof: „Seid fürsorglich! Setzt euch auseinander! Seid mutig! Stellt klare Spielregeln auf! Gebt den Kindern die Möglichkeit zur Rebellion! Kommt damit klar, dass Kinder die Eltern auch mal doof finden!“


Seltsamer Nachklapp: Überraschend ganz andere Ansätze heutigen Denkens

- Oder blicken wir bereits in eine Zukunft, in der Menschen aufhören können zu arbeiten? Der Zwang schwere, anstrengende Arbeiten zu verrichten, fiele dann Robotern zu, und der Staat würde alle mit einem bedingungslosen, hohen Grundeinkommen versorgen?  

- Oder spielen uns womöglich unsere ureigenen Gene einen Streich? Positive wie auch negative Einflüsse verändern unsere Genaktivität. Aktivieren sich etwa
Überlebensinformationen aus den Anfangszeiten der Evolution, als die Keule stärker wog als der Grips, sind archaische Erbinformationen aufgrund der allgemeinen Zustände geweckt worden und es steht uns ein intellektueller Rückfall in die Steinzeit bevor aufgrund der endlosen Negativschlagzeilen über einen globalen Zornausbruch
(Klimawandel, Umweltgifte, Elektrosmog, Industriefood, Straßenräuber, Lehrer
klagen auch über gewalttätige Schüler, Polizisten über zunehmende Respektlosigkeit
und Verrohung der Sitten, Amokläufer, Selbstmordattentäter, aggressive Einbrecher, weltweit steigende Zahl von Kriegen, Gewaltexzesse, Wutbürger, vermehrte Migration, Überbevölkerung, Leistungsstress, Gewaltzustände in und um Fußballstadien usw. usw.)?  

- Oder kommen gar nach etwa 3600 Jahren wieder Außerirdische vom 12. Planeten Nibiru wieder, um die Menschheit erneut oder weiter zu versklaven?

- Oder treffen die Visionen verschiedener Seher (zeitgenössischer, Waldpropheten... zu; christlich geprägte wohl weniger, da Johannes- Apokalypse oft als Grundlage erkennbar), die bereits in unglaublich bereits zugetroffenen Schritten mit einem in absehbarer Zeit beginnenden 3. Weltkrieg rechnen (bei Gott: hoffentlich nicht!!). Dann sind derlei Themen über Nacht völligst hinfällig...




Quellen u.a.: Michael Winterhoff: SOS Kinderseele, 2013; Stern Nr. 6/2015, Studie Rheingold-Institut, Susanne Bellotto, ZeitenSchrift 84/2015, Schulte-Markwort: Superkids, Leibovivi-Mühlberger, FAZ 20.04.2016, Luc Bürgin, Natural News, u.v.a,

 
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